Jupp Zimmer
Bildhauer, Maler, freischaffender Künstler
* 1919 in Graach an der Mosel † 1995 in Trier
Jupp Zimmer zählt neben Willi Hahn, Michael Trierweiler und Werner Persy zu den großen Künstlerpersönlichkeiten Triers und war einer der wenigen großen Bildhauer des Trierer Landes. Geboren wurde er in der Zwischenkriegszeit, am 3. September 1919 in Graach an der Mosel. Die künstlerische Begabung des Winzersohns zeigte sich früh, stammte er doch aus einer kunstbegabten Familie. Seiner Heimat, die vielerorts noch „vom Hauch der Antike umweht wird“ (Schulte) blieb er zeitlebens treu und fühlte sich tief verwurzelt. Nach einer klassischen Ausbildung lag die Auseinandersetzung mit dem antiken Erbe seiner Heimat nah. Sein Studium der Bildhauerei an der Meisterschule in Trier, welches er ab 1937 absolvierte, musste er wegen seiner Einberufung zum Kriegsdienst 1940 unterbrechen. Die Kriegsjahre verbrachte er in Nordafrika. 1947 konnte er sein Studium an der Werkkunstschule in Trier fortsetzen. Ab 1949 war er dann als freischaffender Bildhauer und Maler in Trier tätig. Handwerklich in den verschiedensten Techniken und Materialhandhabung bestens ausgebildet entwickelte er eine breite Vielseitigkeit seines künstlerischen Ausdrucks in Kleinplastiken und in der Freiskulptur, in profanen ebenso wie in sakralen oder mythologischen Themen, in Stein, Metall oder gar Kunststoff. Die Abstraktion war ihm ebenso vertraut, wie das Gegenständliche.
„Seine unverwechselbaren Werke, die über Jahrzehnte hin immer seine Hand erkennen lassen, sind genauso zurückhaltend-nachdenklich und dabei von zupackender Formkraft, wie er selbst es war.“
Dieter Ahrens
Die Themen der Mythologie waren für Jupp Zimmer wie geschaffen, weil sie den uralten, oft vergessenen Erinnerungsschatz der Menschheit enthalten, so Dieter Ahrens. Sein gesamtes Schaffen hindurch begleiteten ihn das Dionysos-Thema, als Darstellung einer rätselhaften, ambivalenten Figur, Abbild des Gottes der Fruchtbarkeit und der Ekstase, des Enthusiasmus und der Schöpferkraft, des Werdens, aber auch des Vergehens, der leichten Komödie wie der Tragödie, sowie das Motiv der Europa mit dem Stier. Die Darstellung der jungfräulichen Schönheit, die von Zeus, in Gestalt eines weißen Stiers, entführt wird, welche er im Auftrag des Bundes schuf, zählt heute zu einem seiner Hauptwerke. Zwar löste er sich von der Klassik, indem er neue Formen integrierte, aber die mythologischen Themen selbst behandelte er, „wenn auch manchmal etwas humorig respektlos, sehr liebevoll. (Schulte) Aber auch die Naturwissenschaften und die Technik faszinierten ihn. So fand auch das Eingreifen des Menschen in die Natur, was er vor allem an den Veränderungen im Moseltal beobachtete, Eingang in seine Arbeiten.
Jupp Zimmer beteiligte sich an zahlreichen Ausstellungen im In- und Ausland. Im Jahr 1968 nahm er an der Sommerakademie in Salzburg bei Giacomo Manzú teil. Hier fand er wichtige Impulse für sein weiteres Schaffen. Er erlangte einen überregionalen Ruf. So befindet sich zwei seiner Hauptwerke in der Wilhelms-Kirche in Berlin-Spandau, eine kupfergetriebene Altarwand von 60 Quadratmetern mit Darstellungen der Bergpredigt und ein Kreuzweg aus Aluminiumguß. Für den öffentlichen Raum Triers schuf Zimmer neben der bekannten „Europa mit dem Stier“ den „wehrhaften“ Stahl-Wächter vor dem Polizeipräsidium, die eiserne Kreuzformation des Totenmahls auf dem Hauptfriedhof, für die Gefallenen beider Weltkriege, und eine kritische Auseinandersetzung mit der Welt der Technik, das „Techno-Symbol“ am Veraltungsgebäude der Erprobungsstelle der Bundeswehr auf dem Grüneberg, sowie die „Sonnenscheibe“ für die Wetterstation Petrisberg. In seinen Trierer Werken spiegelt sich eindrucksvoll Zimmers Vielseitigkeit.
„So hat Jupp Zimmer durch seine Gestaltungskraft, durch seinen sensiblen Formwillen auf unverwechselbare Weise das Erscheinungsbild Triers mitgeprägt, hat aber zugleich auch das, was er zu sagen hatte, auf seine verdichtete Weise weit über Trier hinaus bekannt gemacht.“
Dieter Ahrens
Dabei war er „kein Mensch der lauten Töne“. Er beschäftigte sich stets mit seiner Umwelt und den Menschen, die ihn umgaben. „Hellhörig und wach“ verfolgte er das Leben in seiner Umgebung ebenso, wie die Strömungen und Veränderungen der Kunst. Seine Freunde und Bekannte schätzten seine zurückhaltende Art, seine „scharfe, unerbittliche, aber wohlwollende Beobachtungsgabe“ und seinen Mut. So wurde bei einer Ausstellung im Städtischen Museum Simeonstift zu seinem 60. Geburtstag sein „Mut zur Skulptur“ hervorgehoben. Mut verlangt auch eine freiberufliche Tätigkeit, vor allem in der Bildhauerei, die sich für den Rezipienten oft nicht nur räumlich sperriger erweist, als die Malerei.
„Obwohl von Auftragsarbeiten in die Pflicht genommen, obwohl wechselnden Zeitströmungen und Modeerscheinungen ausgesetzt, ist er dennoch seinen höchstpersönlichen Weg gegangen, getragen von den alten bildhauerischen Traditionen.“
Dieter Ahrens
Der Ausgangspunkt seiner Arbeiten war stets die Natur, auch wenn er sie in späteren Werken zunehmend abstrahierte, so Bärbel Schulte. Dies sei nicht als eine Entfernung vom Naturvorbild zu sehen, so Schulte weiter, sondern, im Gegenteil, als eine Reduktion. Er reduziert seine Figuren und Formen auf ihre Urform, „und spürt dem innersten Wesen der Dinge nach“. Dabei nähert er sich in der Abstraktion und Reduktion dem Wesentlichen immer mehr an. Die plastische Durchformung seiner Werke ist beachtenswert. So liegen seinen Plastiken stets strenge Formprinzipien zugrunde. Viele seiner Arbeiten basieren auf geometrischen Grundformen.
„Nun haben geometrische Formen jedoch etwas außerordentlich Statisches. Die Dynamisierung, die Verlebendigung derartiger Grundformen ist im Prinzip nur über ihre Gestaltung in einem proportionalen Verhältnis zum jeweiligen formalen Zusammenhang möglich, das heißt, über eine klar gegliederte Rhythmisierung des Miteinanders von Haupt- und Nebenformen einer Plastik. Manche Themen, vor allem die Europa und den Dionysos, hat er deshalb reihenweise entwickelt und variiert, um jede Nuance, jede Möglichkeit der formalen Lösung auszuloten. […] Die Reduktion verleiht den Werken substanzielle Einheit ohne Umschweife, Spitzfindigkeiten oder Hintergedanken, wie es auch seinem persönlichen Wesen entsprach. Sie besitzen eine unmittelbare Mitteilungskraft, so daß sie für jeden Betrachter verständlich sind und ihm die Möglichkeit der Identifikation bieten.“
Bärbel Schulte
Die ihn umgebende Natur des Moseltals fand Eingang in seine Malerei. Hier dominieren die Farben Schiefergrau, Sandsteinrot und die verschiedenen Grüntöne der Weinberge, so Bärbel Schulte. Dabei machen Frauenporträts einen großen Teil seines malerischen Werks aus. Bei der Dargestellten handelt es sich, nach Bärbel Schulte, immer um seine Ehefrau, „die ihm gleichzeitig Gefährtin, Partnerin und Muse war, erste Kritikerin und wichtigste Bezugsperson“. Auch in der Malerei findet sich seine serielle Auseinandersetzung mit Themen und Motiven. In den Gemälden erkennt man stetes den Bildhauer, so Bärbel Schulte. Die zweidimensionalen Figuren wirken durch ihre Schattierungen sehr plastisch. Dabei setzte er das „Spiel von Licht und Schatten“, das wesentlich für seine plastischen Arbeiten war auch in der Malerei um. So erreichte er auch in „diesem Medium gleichwertige künstlerische Aussagen“. (Schulte) Der Wechsel zwischen Malerei und Bildhauerei bezeugt noch einmal Zimmers meisterliche Beherrschung der „künstlerischen Mittel und seiner gestalterischen Vielfalt“. (Schulte)
1986 ehrte die Stadt Trier Jupp Zimmer in Anerkennung seines Lebenswerks mit dem Ramboux-Preis. Im Jahr 1995 verstarb der große Trierer Bildhauer in seiner Heimatstadt, er wurde 76 Jahre alt.
„Habt keine Angst vor der Natur – sie hält Euch nicht auf! Wenn Ihr mit der Natur arbeitet, sie sogar nachbildet, so könnt Ihr Neues schaffen, denn das Resultat ist nicht das Äußerliche, sondern das, was in Euch selbst verborgen liegt…“
Giacomo Manzú (zit. n. Bärbel Schulte)
LM