»MAGE« »MOWIS« »TRUE«

Verrückt

Im Spätsommer 2015 wurde die einst graue Fassade des Theaters von jungen Trierer Sprayern zu einem Graffiti-Kunstwerk (um)gestaltet. Dabei griffen die jungen Sprayer Ereignisse des Tagesgeschehens im Spätsommer 2015 in ihrer Darstellung auf.

MAGE, MOWIS & TRUE, Verrückt, 2015, Theater Trier

Die graue Theater-Wand fristete lange ein eher unspektakuläres und tristes Dasein, bis die neue Intendanz, im Spätsommer 2015, jungen Graffiti-Künstlern eine Plattform bot und gleichzeitig mit einem »neuen Anstrich« auch das »neue Gesicht« des Theaters zeigen wollte. Aus der grauen Norm sollte das Theater ›verrückt‹ werden, wobei es hieß: »alles bleibt anders«. Porträtiert wurde der neue Intendant Karl Sibelius selbst, in einer seiner Bühnenrollen, als Großherzogin von Gerolstein (offiziell gespielt von seinem Alter Ego Rose Divine). Die jungen Sprayer griffen Ereignisse des Tagesgeschehens im Spätsommer 2015 in ihrer Darstellung auf. Auf einem Schild steht die zentrale Botschaft des Graffitis: »Refugees Welcome«. Begrüßt werden die Flüchtenden, die grade in einem winzigen, überfüllten Boot mit einer riesigen Welle ›angespült‹ werden. So setzen sich die jungen Künstler mit der »Flüchtlingswelle« und der »Willkommenskultur« ebenso auseinander, wie sie ein klares Statement gegen Fremdenfeindlichkeit formulieren. Die Ankommenden werden von den für den Künstler MAGE typischen »Kopffüßler« begrüßt. Sie reichen ihnen »Errungenschaften der westlichen Gesellschaft« entgegen, erklärt MAGE.  An der Cannabis-Topfpflanze nahm niemand Anstoß, wohl aber an dem erigierten Penis darunter. Nur wenige Tage nachdem das Gerüst abgebaut war und das Graffiti, pünktlich zur neuen Spielzeit, der Öffentlichkeit präsentiert wurde, hatte Trier sein »Penisgate«, mit entsprechender Berichterstattung in der Lokalpresse und im Regionalfernsehen.

Eine entrüstete Passantin hatte den kurzen Weg ins Rathaus angetreten und sich über den Penis an der Theaterwand beschwert. Das »gesprühte Phallussymbol« (Bieg) ging ihr eindeutig zu weit und sollte unverzüglich entfernt werden. Das Theater reagierte mit Humor. Unter den Ersten, die das Corpus Delicti ausfindig machten und dem Theater meldete, wurden auf Facebook Freikarten für eine der nächsten Fidelio Vorstellungen verlost. Natürlich Karten für Fidelio: Das Stück hatte bereits mit Nackt- und Folterszenen (mit einem künstlichen Penis) für einen Skandal gesorgt. Einige Tage im Herbst wurde es heiß in der »Trierer Penis-Affäre« und es wurde hitzig diskutiert: Muss der Penis weg? Kann das überhaupt Kunst sein?

Die Graffiti-Künstler erklärten, dass der Penis die freie und offene Sexualität in der westlichen Welt symbolisiere.

»Der Penis steht als Symbol für die Sexualität im westlichen Teil der Welt, die viel freier und offener ist als in den Herkunftsländern der Flüchtlinge. Manchmal ist sie sogar zu offen.«

 

David Schmitz

Beim Theater traf die ganze Aufregung auf wenig Verständnis und Karl Sibelius betonte in einer Stellungnahme: »Der Penis bleibt, denn ihm verdankt die Menschheit alles!« Und: »Da gäbe es dann in Trier noch andere Objekte, die man bereinigen müsste«, und meinte damit den Petrusbrunnen am Hauptmarkt. Der Brunnen zeigt mehrere Affen, »die im Hintergrund [der Brunnenfiguren] sehr unartige Dinge veranstalten«. (Pistorius) Die Gemüter beruhigten sich schnell wieder. Erstaunlicherweise lässt sich in unserer »übersexualisierten Massenmedienwelt« durch das Abbilden eines vergleichsweise kleinen Geschlechtsorgans, auf einer riesigen Graffiti-Wand, noch genügend Aufsehen erregen. Der Wunsch der Intendanz nach mehr Aufmerksamkeit für das ›neugestaltete‹ Theater erfüllte sich jedenfalls.

»Nicht nur Intendant Karl Sibelius weiß, was er dem Penis verdankt.«

 

Peter Bieg

 

Im November 2016 endete jedoch die Trierer Ära Sibelius vorzeitig. Er und Kulturdezernent Thomas Egger (SPD) stolperten über Budgetüberschreitungen in Millionenhöhe. Nach nur einem Jahr wurde der Vertrag mit Karl Sibelius aufgelöst. Das Theater-Graffiti bleibt, vorerst. Über Pläne zur Umgestaltung der Fassade ist bisher nichts bekannt.

Kunstobjekte in der Nähe

Verrückt

  • Theater
  • 54290 Trier
  • Heinz-Tietjen-Weg; gegenüber dem Lokal Astarix

Referenzen

Website des Theater Trier: www.teatrier.de

Bieg, Peter: »Die Theaterwand. Kleines Glied, große Wirkung«, in: 111 Orte in Trier die man gesehen haben muss. Mit Fotografien von Maximilian Staub, o.O. 2016, S. 194-195.

Meisenberger, Raimund: Die Ära des Mutes: Sibelius setzt ein Rufzeichen als „Großherzogin“, in: Rottaler Anzeiger. Rottaler Zeitung für Eggenfelden. Niederbayrische Zeitung, 11.01.2015, unter: www.pnp.de (zuletzt abgerufen am: 22.01.2017).

Kunst oder Provokation? Graffiti-Penis am Theater Trier, in: Beitrag der Landesschau Rheinland-Pfalz, SWR Fernsehen, 14.10.2015, unter: www.swr.de (abgerufen am: 23.04.2016).

Pistorius, Jörg: »Ja, wo ist denn hier ein Penis?« Graffiti an Trierer Theaterwand erregt die Gemüter, in: Heute in der Trierer Zeitung, 13.10.2015, unter: www.volksfreund.de (abgerufen am: 23.10.2015).

#penisgate in Trier: Graffiti sorgt für Stress, in: Beitrag bei DASDING vor Ort, 15.10.2015, unter: www.dasding.de (abgerufen am: 23.10.2015).

Thielen, Eric: Theater Trier – Sibelius weg, Egger auch, in: trier-reporter. unabhängig – kritisch – frei, 17.11.2016, unter: www.trier-reporter.de (zuletzt abgerufen am: 22.01.2017).

 

LM