Hans Karl Schmitt

Heimatbrunnen

Die Anfertigung der rechteckigen Anlage des Heimatbrunnens und der mittig aufgesetzten Bronzeplatsik erfolgte durch den Bildhauer Hans Karl Schmitt (1927–1991) im Jahr 1965. Jeweils zwei flach springende Fontänen geben Wasser von Becken zu Becken weiter und schaffen so eine Verbindung der quadratischen Einzelbecken. Eine Tafel trägt die Inschrift: »Einigkeit und Recht und Freiheit. Breslau, Gleiwitz, Stettin, Königsberg, Eger, Marienburg.«

Hans Karl Schmitt, Heimatbrunnen, 1965, Beton und Bronzeguss,  51,5 x 677 x 677 cm, Theater, Trier

Früher wurde die Brunnenanlage als »Vertriebenen-Gedenk-Brunnen« oder »Vertriebenenbrunnen« bezeichnet. Die Namensgebung orientiert sich wohl am Auftraggeber, der »Initiative des Bundes der Vertriebenen«. Diese beauftragte den Trierer Bildhauer Hans Karl Schmitt (1927–1991) mit dem Bau und der Gestaltung der Anlage.

Da man die ursprüngliche Bezeichnung als unpassend empfand wird die Brunnenanlage heute als Heimatbrunnen bezeichnet, wobei sich hier der Titel auf die Grundsteinlegung am »Tag der Heimat« im September 1965 bezieht. Als Mahnmal sollte der Brunnen an die früheren deutschen Ostgebiete (vor Kriegsende 1945) und das Schicksal der knapp 10.000 Vertriebenen (1945–1946) erinnern, die als Flüchtlinge in Trier eine neue Heimat fanden.

Die Brunnenanlage besteht aus vier rechteckigen Brunnenbecken in deren Mitte eine ringförmige Bronzeplastik aufragt, die ein stilisiertes, vernarbtes und gebrochenes Herz darstellen soll. Ursprünglich hatten sich Metallsplitter im jetzt freien Zentrum der Plastik befunden, welche jedoch gestohlen wurden. »Das zu schaffende Kunstwerk soll ein Mahnmal, kein Denkmal für Vergangenes sein […]«, erklärte der Stadtrat in der Formulierung der Aufgabenstellung zur Ausschreibung des Projekts. Der Brunnen solle die täglich Vorübergehenden an die deutschen Angehörigen und Freunde jenseits der Grenzen erinnern und »dazu auffordern, nach besten Vermögen jenen zu helfen, die unserer Liebe und Hilfe bedürfen«. (Julia Frey)

Die flach von Becken zu Becken springenden Fontänen sollen, trotz der Trennung, die Verbundenheit über die Landesgrenzen hinweg symbolisieren. In der Ausschreibung für das Brunnenvorhaben ließ der Stadtrat in den 1960er Jahren verlautbaren:

»Es soll die Menschen im freien Westen eindringlich ermahnen, das von Rumpfdeutschland durch das Alliiertenabkommen von Potsdam im Jahre 1945 fremden Verwaltungen unterstellte Mittel- und Ostdeutschland und die seitdem in Unfreiheit lebenden Brüder und Schwestern nicht zu vergessen. Es soll empor reißen aus dieser Resignation und den Glauben an die Wiedervereinigung aller Teile des getrennten Deutschlands beleben und stärken.«

Aufgrund der Inschrift: »Einigkeit und Recht und Freiheit. Breslau, Gleiwitz, Stettin, Königsberg, Eger, Marienburg«, gab es in den letzten Jahren vermehrt Diskussionen über eine Umbenennung des Brunnens. Die Inschrift könne dahingehend interpretiert werden, dass die aufgelisteten Städte, die heute zu den Staatsgebieten Russlands, Tschechiens und Polens gehören, immer noch als Teile Deutschlands angesehen und deren Wiedervereinigung mit den deutschen Gebieten noch immer angestrebt würde.

So stand der Heimatbrunnen im Jahr 2012 in einer hitzigen Debatte des Stadtrats in der Kritik. Der Tenor der Debatte: Die vertretene Haltung wäre nicht mehr zeitgemäß und revanchistisch. Es sei wichtig hervorzuheben, dass der Heimatbrunnen ein Zeugnis der Einstellungen und Überzeugungen seiner Entstehungszeit sei: Der Bund der Vertriebenen hatte 1965 eine bestimmte Sichtweise vertreten und daraus eine politische Forderung abgeleitet. Zur Erinnerung an die ehemals deutschen Gebiete sollte gemahnt und der bestehende Anspruch auf diese Gebiete dokumentiert werden.

Die Anträge auf Namensänderung wurden bisher abgelehnt, mit der Überlegung, dass es sich auch hier um ein Dokument der Zeitgeschichte handle – ein Objekt, welches den oftmals schwierigen Umgang mit der nationalsozialistischen Vergangenheit und den Folgen des Zweiten Weltkrieges in jenen Jahren zeigt. Die Geschichte des Heimatbrunnens müsse als Spiegel der Geschichte selbst für die Nachwelt erhalten bleiben.

»Der Brunnen solle eine begleitende, erklärende Tafel erhalten, die den Besucherinnen und Besuchern, aber auch den Mitbürgerinnen und Mitbürgern die wechselvolle Geschichte vor Augen führen und daran erinnern solle, dass man eine friedvolle Aussöhnung in Europa in den letzten Jahrzehnten erreicht habe. Die Stadt Trier habe sich als eine Gemeinde Europas diesem Gedanken seit langem verpflichtet.«

 

Ratsmitglied Jutta Föhr, Sitzung des Stadtrates, 28.06.2012

Neben dem Heimatbrunnen ist seit 2012 eine Tafel angebracht mit der erklärenden Aufschrift:

»Dieser Brunnen ist ein Zeugnis seiner Entstehungszeit, dem Jahre 1965. Heute, nach fast 70 Jahren seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs, über 40 Jahren seit den Ostverträgen und über 20 Jahren seit dem Ende des ›Eisernen Vorhangs‹, leben wir friedlich und ausgesöhnt zusammen im vereinigten Europa. Als gute Nachbarn erinnern wir uns unserer gemeinsamen und wechselhaften Geschichte, die uns in unserer tiefen gegenseitigen Verbundenheit in Freundschaft und Frieden Tag für Tag bestärkt – Trier im Jahre 2012, der Oberbürgermeister der Stadt Trier

Der Brunnen blieb noch lange Thema politischer Auseinandersetzungen und weiterer Debatten. Das Anbringen der erklärenden Tafel ging einigen Kritikern nicht weit genug. Im Jahr 2014 protestierte die Sozialistische Jugend Deutschlands erneut. In ihrem Protest war von einer »Verherrlichung der faschistischen Vergangenheit« die Rede. Dieser Protest wurde im Herbst 2015 von der Linksfraktion im Trierer Stadtrat aufgegriffen und erneut wurde eine Umgestaltung und Umbenennung des Brunnens gefordert. Es solle ein Mahnmal entstehen, dass allen Opfern von Flucht und Vertreibung weltweit gedenke. Es fand sich jedoch keine Mehrheit für diesen Vorschlag. Der Heimatbrunnen bleibt ein Politikum und offiziell gilt er als namenlos.

Dr. Markus Schmitt-Conrad, Sohn des verstorbenen Künstlers Hans Karl Schmitt, wandte sich 2015 entschieden gegen den Vorwurf, sein Vater hätte in seinem Werk faschistisches oder revanchistisches Gedankengut transportieren wollen:

»Mein Vater hat sich in seinem Schaffen sehr lange und intensiv mit dem Kubismus und den Werken von Picasso, Braque, Gris und Zeitgenossen auseinandergesetzt. Von den Bildhauern des 20. Jahrhunderts, die ihn inspirierten, seien nur Henry Moore und Laurens an dieser Stelle erwähnt. Diese Künstler stehen ebenso wenig in Verdacht, in irgendeiner Weise revanchistisch oder faschistisch gedacht oder gehandelt zu haben, wie mein Vater selbst, der Zeit seines Lebens unter den Folgen seiner Erziehung während des Naziregimes, Erlebnissen während des Zweiten Weltkriegs und seiner Gefangenschaft, in die er als 18-jähriger für mehrere Jahre geriet, gelitten hat. 1968 erhielt er für sein Werk den Ramboux-Preis der Stadt Trier.«

 

Dr. Markus Schmitt-Conrad

Kunstobjekte in der Nähe

Heimatbrunnen

  • Am Augustinerhof
  • 54290 Trier
  • zwischen Rathaus und Theater

Referenzen

Bieg, Peter: »Der namenlose Brunnen. Anonymes Politikum neben dem Rathaus«, in: 111 Orte in Trier, die man gesehen haben muss. Mit Fotografien von Maximillian Staub, o.O. 2016, S. 142-143.

Frey, Julia: Brunnen in Trier. Trier 1987, S. 14.

Schmitt-Conrad, Markus: »Mit Dornenkranz und ohne Inschrift.« Trierischer Volksfreund 14.10.2015, unter: www.volksfreund.de (abgerufen am: 12.05.2016).

Unbekannt: »Ausdruck der Geschichte«, 03.07.2012, unter: www.trier.de (abgerufen am: 29.07.2016).

Unbekannt: »Neuer Name für alten Brunnen.«, Trierischer Volksfreund 27.06.2012, unter: www.volksfreund.de (abgerufen am: 21.10.2015).

Unbekannt: »Neuer Name für Brunnen?«, in: 16vor – Nachrichten aus Trier, 22.06.2010, unter: www.16vor.de (abgerufen am: 21.10.2015).

Unbekannt: »Antrag der SPD-Fraktion u. der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen: ›Umbenennung des Brunnens am Rathaus‹«, Sitzung des Stadtrates am 28.06.2012, unter: www.info.trier.de (abgerufen am: 21.10.2015).

LM/AW